1. Weihnachtsfeiertag


Aus jedem Raum der Wohnung, der über die Feiertage zum Gästezimmer umfunktioniert wurde, kann man ihn hören. Den Schmerzmarathon von über alle Maßen gedehnten Mägen. Ein Stöhnen, wie in der peinlichsten Seitenbacher Müsliwerbung. Was die abendliche Fressorgie und Alkoholresteverwertung dem menschlichen Körper in diesen drei Tagen antut, gleicht einer Folter. Kollektivmasochismus in Perfektion.
Die Geschenke sind bereits aufgerissen und die Enttäuschung wurde überspielt, da es statt der Nerf Armbrust doch nur einen Rossmann Gutschein geworden ist. "Gibt es Nerf bei Rossmann?" wurde bereit eifrig gegooglet.
An keinem anderen Tag wie dem ersten Weihnachtsfeiertag wird sooft gesündigt. Föllerei und Neid wohin man sieht. Die Kinder, verschüttet unter Geschenkpapierlawinen, lächzen förmlich nach den Präsenten der anderen Gleichaltrigen, obwohl die Verwandtschaft deren komplette Weihnachtsgratifikation vergebens für freudig strahlende Kinderaugen ausgaben. Ein Debakel, welches tunlichst nicht als solches abgestempelt werden darf. Zu aufwendig die Vorbereitungen der letzten 24 Stunden. Zu gross die Vorfreude der Erwachsenen. Zu schmerzhaft die Realität.
Und dies wird beim Erwachen zum ersten Weihnachtsfeiertag so richtig bewusst. Alles ist missglückt. Das friedliche Familientreffen bestätigt lediglich die Entscheidung, sich beruflich in einer anderen Stadt angesiedelt zu haben. Das Essen, so lecker es auch war, rechtfertigt auf keinen Fall diese beängstigenden Blutwerte und der eigene Körper ist sich noch nicht schlüssig, aus welcher Körperöffnung er den Überdruck entladen soll. Doch das eigentliche Problem beginnt erst heute: noch mehr essen und das gezwungene Abklappern der Sekundärverwandtschaft, Kaffee und Kuchen in lebensbedrohlichen Mengen und der sehnliche Wunsch, bald wieder arbeiten zu dürfen. Ah mh aua mh oh ah aua Mageschmeaze! Aua oh mh oh ah! Koi Seitebacher, aber trotzdem oh mh aua oh ah…


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